Grüne vor Ort

Hass gegen Grüne: Fraktionsvorsitzender aus Mühlheim schätzt Lage ein

Anwürfe gegen Grünenpolitiker nehmen zu, doch in Mühlheim scheint die Lage derzeit noch entspannt, wie der Co-Fraktionsvorsitzende Tim Rieth berichtet.

Mühlheim – Beleidigungen bei offiziellen Terminen, Plakate mit hasserfüllten Botschaften, gewalttätige Ausschreitungen: Die Stimmung in der Bevölkerung ist spürbar aufgeheizt, die Regierung aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP sieht sich immer häufiger mit teils heftiger Kritik und Unmut konfrontiert. Insbesondere Grünen-Politiker schienen dabei zuletzt vermehrt in die Schusslinie der Anfeindungen zu geraten, eine Entwicklung, die auch im Mühlheimer Ortsverband mit großer Sorge beobachtet wird.

„Wir verfolgen natürlich das aktuelle Geschehen und machen uns Gedanken dazu“, berichtet Tim Rieth, Co-Vorsitzender der Grünenfraktion im Mühlheimer Stadtparlament. „Wenn Bundespolitiker so angegangen werden, geht das auch an uns nicht spurlos vorbei und es gibt bestimmt den ein oder anderen, der sich deshalb künftig ganz genau überlegen wird, ob er bei einer öffentlichen Veranstaltung teilnehmen und seine Meinung äußern wird.“

Für die lokalpolitische Landschaft, die beinahe ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement der jeweiligen Akteure lebe, sei das jedoch äußerst schädlich. „Wir alle opfern unsere Freizeit, weil wir etwas verändern wollen. Wenn man allerdings nur beschimpft oder gar bedroht wird, wäre es nicht verwunderlich, sollten immer mehr Leute ihr Engagement zurückfahren“, gibt Rieth zu bedenken. Seine Parteikollegen und er hätten bis auf ein paar vereinzelte Bemerkungen bislang aber „zum Glück“ noch keine Erfahrungen mit Anfeindungen machen müssen.

„Es kommt schon mal vor, dass sich Leute bei uns beschweren – etwa über das neue Heizungsgesetz“, erzählt der Fraktionsvorsitzende. „Wir müssen dann immer darauf hinweisen, dass wir als Ortsverband damit im Grunde gar nichts zu tun haben.“ Denn vielen Menschen sei oftmals gar nicht bewusst, dass Kommunalpolitiker nicht zwangsläufig mit sämtlichen Äußerungen und Entscheidungen seitens der Bundespartei übereinstimmten. „Auch ich bin nicht mit allem einverstanden und würde mir zum Beispiel für die zusätzliche Belastung, mit der sich die Leute aktuell konfrontiert sehen, einen größeren sozialen Ausgleich wünschen“, stellt Rieth klar.

Der Mühlheimer hält es zudem für „äußerst wichtig“, das Recht auf Demonstrationen – wie zuletzt bei den bundesweiten Protesten der Landwirte – in Anspruch zu nehmen. „Es ist gut, dass es dieses Recht gibt und Menschen dadurch die Möglichkeit erhalten, sich am politischen Meinungsbildungsprozess zu beteiligen und auch Kritik zu üben“, meint Rieth und ergänzt: „Wenn es allerdings in üble Beleidigungen oder Gewalt umschlägt, ist das sehr bedenklich.“

Dafür, dass der Ton zuletzt deutlich rauer geworden ist, sieht der Stadtverordnete zu großen Teilen auch die Äußerungen und das Verhalten der CDU verantwortlich. Insbesondere deren Vorsitzender Friedrich Merz, der die Grünen unlängst als „Hauptgegner“ betitelt hatte, habe mit seinen Aussagen entscheidend dazu beigetragen, Hass und Abneigung gegenüber der Partei zu schüren.

„Da steckt mit Sicherheit auch ein gewisses Kalkül dahinter, denn die Grünen werden jetzt zunehmend als Sündenbock verantwortlich gemacht, weil sie wichtige Themen angehen, die vorher jedoch an ganz anderer Stelle verschlafen wurden“, ist sich Rieth sicher und weist darauf hin, dass von solchen Auseinandersetzungen in erster Linie demokratiefeindliche Parteien wie die AfD profitierten. „Und eigentlich sollten das doch die ‘Hauptgegner’ sein“, meint er und plädiert daher für mehr Zusammenhalt.

Das original Interview findet ihr hier.

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