23.03.2006 | Rubrik: Presse | Thema: Soziales | Stichwort: Sozialbetrüger
Spiel mir das Lied von den Sozialbetrügern
Vor Wahlen rauchen im Kreishaus gerne die Colts!
Klänge einer Mundharmonika – weite Ferne – und dann tritt er auf: Schwarzer Mantel, Sonnenbrille, Marlboro im Mundwinkel, grauer Fünftagebart – der Charles Bronson aus dem Kreis Offenbach!
„Gäbe es einen Kinospot der CDU zur Kommunalwahl, müsste das Drehbuch wohl so beginnen“, mutmaßen die Grünen mit Fraktionssprecher Reimund Butz, „immer pünktlich vor jeder Wahl wird die Cowboynummer gezogen und das Bild des Unbeugsamen aufpoliert: Landrat Hammerhart reitet in der Abendsonne und suggeriert der Wählerschaft: Ich bin es, der Euch beschützt gegen Absahner und eiskalte Betrüger.“
Da gab es – in zufälliger Gegenwart der BILD-Zeitung – die so genannte Abschiebung de luxe eines Serben und Razzien in der Asylunterkunft Johannishof in Rödermark oder im Dietzenbacher Starkenburgring – in diesem Jahr müssen eben Mallorca-Karin und Erwin herhalten.
„Das hat wenig mit der sachgerechten Aufklärung von möglichen Straftatbeständen zu tun“, so Reimund Butz, „vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass über Schwachstellen in der Verwaltung hinwegschwadroniert werden soll und über die wirren Zustände im Hartz-Bereich des Kreises der Ledermantel des erbarmungslosen Verfolgers gelegt werden soll. Schließlich konnten die vielen Vorwürfe, die Betroffene – auch medienwirksam – gegen den Kreis erhoben hatten, nie ganz aus der Welt geschafft werden.“
Immer noch stehen Missstände mehr oder weniger unausgeräumt im Raum: da klagen nach wie vor Betroffene über falsche Berechnungen, fehlende Ansprechpartner und ausbleibende Mietgelder mit Wohnungsverlust in der Folge, viele hatten offensichtlich über Monate keinen Termin zur Arbeitsvermittlung oder Eingliederung – und das Personal klagt über unzumutbare Überlastung und Gängelei.
„Aber was zählen diese Nöte vieler Menschen: Hauptsache, der Westernheld hat seinen Auftritt und das Lied von den Sozialbetrügern lockt die Wählerschaft an die Urne“, so Reimund Butz zynisch und fragt sich, welche Rolle eigentlich der zuständige Dezernent in dem abgeschmackten Streifen übernimmt, „Die Art und Weise, wie immer wieder Einzelne oder bestimmte Gruppen den Medien geopfert werden, macht den Pranger im Mittelalter zu einem einfühlsamen Instrument. Nicht selten lösten sich die öffentlich gemachten Anschuldigungen hinterher in Luft auf.“