16.12.2015 | Rubrik: Diverses | Thema: Finanzen | Stichwort: PPP
Public Private Partnership im Kreis Offenbach
Politische Irrfahrt mit finanziellem Debakel
Was als Supermodell 2004 im Kreistag Offenbach gestartet wurde, endet im finanziellen Desaster: Dem Public Private Partnership-Projekt zur Sanierung und Unterhaltung aller Schulen im Kreis Offenbach wurde nun auch vom Hessischen Landesrechnungshof bescheinigt, dass es ein finanzielles Debakel ist. Damals hatten alle Fraktionen den Verträgen zugestimmt – mit Ausnahme der Grünen.
366,8 Millionen Euro an Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Rechnung werden bis zum Ende der Vertragslaufzeit 2019 entstanden sein. Diese Summe berechnet der Landesrechnungshof in seiner 182. Prüfung „Nachschau PPP – Kreis Offenbach“.
Sanierungsstau und Brandschutzvorschriften hatten Baumaßnahmen an vielen der 89 Schulen mit über 183 Gebäuden notwendig gemacht, als 2004 die Mehrheit im Kreistag unter Führung des früheren Landrats und PPP-Protegés Peter Walter (heute ist er Vorsitzender des PPP-Vereins Hessen) das Projekt in zwei Losen auf den Weg brachte: Die Firma Hochtief übernahm die Sanierung und Unterhaltung der Schulen im östlichen Kreisgebiet, die SKE-Gruppe im westlichen Teil.
Ein genauer Blick in die Verträge? Fehlanzeige!
Die genauen Verträge waren den Abgeordneten niemals bekannt. Sie wurden mit einer Rechnung gelockt, wonach die Sanierung mit PPP um 16 bis 19 Prozent preisgünstiger sei als die Eigenerledigung durch den Kreis. Nachvollziehbar waren diese Versprechungen nicht, die das beratende Unternehmen BBD in Kooperation mit der Kanzlei Freshfields vorgelegt hatte. Diese Beratung kostete übrigens auch rund zehn Millionen Euro.
Bei Vertragsabschluss war 2004 prognostiziert worden, dass beim Kreis pro Jahr 52,1 Millionen Euro Kosten anfallen würden. Im Jahr 2013 war die Summe auf 82,8 Mio € gestiegen und wird im Jahr 2019 den Kreishaushalt mit 95,1 Millionen Euro belasten – während die Projektgesellschaften einen Gewinn von 120 Mio Euro verbuchen können.
Gründe für die Kostenexplosion
75,8 Millionen Euro der insgesamt 366,8 Millionen Euro Mehrkosten sind auf Flächenmehrungen durch An- und Neubauten zurückzuführen. Zwar waren die einzelnen baulichen Veränderungen nicht immer absehbar gewesen, aber Schulen und ihre Infrastruktur befinden sich ständig im Prozess – was man durchaus hätte besser einkalkulieren können.
Das Gros der Mehrkosten, nämlich 207,1 Millionen Euro, beruht aber auf vertraglich vereinbarten Wertsicherungsklauseln. Demnach verbuchen ausschließlich Hochtief und SKE die mit energetischen Sanierungen erzielten finanziellen Einsparungen. Der Kreis hingegen zahlt Heizkosten auf der Basis von 2004 und verliert dadurch 22,6 Millionen Euro über die Vertragslaufzeit. Auch die im Gegensatz zur Eigenerledigung zusätzlich fälligen Umsatzsteuern zum Beispiel für die Hausmeister gehören zur Liste der Zusatzkosten, die der Kreis zu tragen hat.
Und wenn am Ende der Vertragslaufzeit die Vertragserfüllung kontrolliert werden muss, werden – nach Schätzung des Landesrechnungshofes – zusätzliche Abnahmekosten von 1,9 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Sparsamkeit am Controlling tat ein Übriges
Als weitere Kritikpunkte listet die Prüfbehörde auf, dass im Grundvertrag Ausschreibungen für Mehrleistungen ausgeschlossen wurden und zudem keinerlei Prüfung derselben stattfand. Das Controlling wurde gar in den ersten Jahren von der Beratungsfirma selbst übernommen – kaum verwunderlich, dass es zu keinerlei Beanstandungen führte und auch keinerlei Dokumentation erfolgte. Erst seit 2012 übernahm der Kreis das Controlling selbst – gleichwohl völlig unzureichend angesichts der Dimension des Projektes.
Viele schauten sich das an, niemand machte es so nach
Vor elf Jahren hatten die Grünen im Kreistag das Vorhaben abgelehnt und seither ihre Kritik immer wieder unterstrichen und mehr Transparenz gefordert. Die Befürworter hatten über elf Jahre hinweg die vermeintliche Genialität des Projekts herausgestellt. Über 100 Delegationen waren in der Anfangsphase gekommen, um sich das Modell erläutern zu lassen: kein einziger Schulträger hat es in dieser Dimension nachgeahmt.
Jetzt bescheinigt der Landesrechnungshof das Desaster. Der – betrachtet man die Einnahme-Seite – drittreichste Kreis des Bundeslandes steht unter dem hessischen Schutzschirmprogramm für finanziell notleidende Kommunen und bekommt Millionen aus Steuermitteln. Immer noch gibt es viele Fans des Projekts in den Reihen von CDU, SPD, FDP und FWG. Aber immerhin redet niemand mehr davon, die Verträge zu verlängern.
(Dieser Beitrag erschien in der neuen AKP-Zeitschrift für Alternative Kommunalpolitik 1/2016)
Sonja Arnold und Reimund Butz